Die letzten Wochen waren geprägt von Debatten um Schuldenbremse und Sondervermögen. Nachdem die Union in den Jahren der Ampelregierung und in den letzten Monaten nach dem Ende der Ampel jedes unserer Angebote für eine Reform der Schuldenbremse ausgeschlagen hat, nachdem Friedrich Merz und alle anderen Unionsleute im Wahlkampf vollmundig verkündet haben, dass eine Regierung unter ihrer Führung die Probleme und Herausforderungen im Land ohne neue Schulden lösen würde, hat die Union nur 10 Tage nach der Wahl erkannt, dass ohne neue Schulden eine neue Regierung nicht arbeiten kann. Und so haben Union und SPD einen Vorschlag gemacht, nach dem mit mehreren Grundgesetzänderungen ein Finanzkonstrukt geschaffen werden sollte, mit dem die Schuldenbremse für die Ausstattung der Bundeswehr reformiert werden und ein Sondervermögen für sonstige Ausgaben zur Verfügung gestellt werden sollte.
In Kombination mit dem CDU/CSU/SPD-Sondierungspapier wurde deutlich: Union und SPD wollten das Sondervermögen vor allem für Steuersenkungen und Wahlgeschenke, von denen insbesondere die Reichen im Land profitieren würden. Das Ziel von Union und SPD war von Anfang an, dies noch mit dem alten Bundestag zu beschließen, um die nötige Zweidrittelmehrheit lediglich mit den Stimmen von uns GRÜNEN zu haben und nicht auf die Stimmen der LINKEN angewiesen zu sein. Das Verfahren haben wir von Beginn an kritisiert. Zwar ist der alte Bundestag voll beschlussfähig (und es scheint mir daran verfassungsrechtlich wenige Zweifel zu geben), dennoch ist der Zeitraum sehr kurz und natürlich kann man sich fragen, ob es politisch richtig ist, nach einer Wahl mit der alten Mehrheit eine solche Grundgesetzänderung zu beschließen. Deshalb haben wir dem Verfahren nicht zugestimmt.
Aber: auch wir sehen die Notwendigkeit für Finanzreformen, schon lange, nicht erst seit der Wahl. Insbesondere mit Blick auf die Ukraine, hat sich die Sicherheitslage in Europa und der Welt nach es Amtsantritt von Donald Trump erwartbar verschärft. Auch wenn Merz und die Union behaupten, dass erst die Demütigung Selenskyjs durch Trump im Oval Office die schwierige Lage gezeigt hat, wissen wir eigentlich seit der Wahl Donald Trumps, spätestens seit seinem Amtsantritt, dass die USA keine verlässliche Partnerin mehr sind. Wir müssen mehr investieren in unsere Gesamtverteidigung, dazu gehören neben der Ausstattung der Bundeswehr z.B. auch Cybersicherheit und Bevölkerungsschutz. Und natürlich sagen wir GRÜNE seit Jahren, dass es einen hohen Investitionsbedarf gibt für den Erhalt unserer Infrastruktur, für die Sanierung von Straßen, Brücken und Schulen oder für den Ausbau der Schiene und der Energieinfrastruktur.
Deshalb haben wir uns bereit erklärt, mit Union und SPD zu verhandeln. Unsere Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann haben das auch sehr gut gemacht. Denn wir waren klar: eine Zustimmung von uns kann es nur geben, wenn das Konstrukt stimmt und zumindest sichergestellt ist, dass neue Schulden nicht in Steuersenkungen verschwinden, sondern wirklich in Investitionen fließen.
Und das haben wir am Ende verhandelt:
- Zusätzlichkeit vereinbart: Es wird nun im Grundgesetz verankert, dass alle Ausgaben aus dem neu geschaffenen Sondervermögen tatsächlich zusätzliche Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Wirtschaft sein müssen. Einem Verschiebebahnhof für Steuersenkungen kann es nun nicht mehr geben.
- Klimaneutralität bis 2045 ist Ziel von Investitionen: Erstmals findet der Begriff der Klimaneutralität nun ausdrücklich Eingang in das Grundgesetz. Das Sondervermögen ist präzisiert als Sondervermögen für Infrastruktur und Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045.
- 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds: 100 Milliarden aus dem Sondervermögen werden für den Klimaschutz bereitgestellt und in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) überführt. Damit gehen mindestens ein Viertel der Bundesmittel aus dem Sondervermögen direkt in Projekte für den Klimaschutz. Die Kosten für die EEG Umlage werden aus dem Kernbundeshaushalt erbracht und nicht aus dem KTF. Das ist entscheidend dafür, dass das Geld wirklich für Klimaschutzinvestitionen genutzt wird.
- Sicherheit breit definiert: Mit dieser Einigung investieren wir in Frieden, Sicherheit und unsere Verteidigung – nicht nur bei der Bundeswehr. Ein wesentliches Ergebnis der Verhandlungen ist die Anwendung eines erweiterten Sicherheitsbegriffs für die Bemessung der Verteidigungsausgaben. Dieser umfasst nicht nur die militärische Verteidigung, sondern schließt auch Bereiche wie Zivil- und Bevölkerungsschutz, Cybersicherheit, Nachrichtendienste und Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten ein.
- Unterstützung für die Ukraine wird ausgeweitet: In der kommenden Woche wird der Bundestag endlich die zusätzlichen 3 Milliarden an Unterstützung für die Ukraine kurzfristig freigeben.
- Beteiligung der Bundesländer: Die Einbeziehung der Länder in die Investitionsstrategien wurde fest vereinbart. Da diese Ebenen einen Großteil der Infrastrukturmaßnahmen umsetzen, ist ihre angemessene finanzielle Ausstattung unerlässlich. So können sie ihre Aufgaben effektiver erfüllen und somit einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Infrastruktur leisten. Insbesondere sollen Wärmenetze und andere Energienetze, die entscheidend für die klimaneutrale Zukunft unseres Landes sind, aus den Mitteln des Sondervermögens finanziert werden.
Und ich finde: das ist ein gutes Ergebnis, dem wir GRÜNE zustimmen können. Wir haben mit der Reform der Schuldenbremse für Verteidigung und dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ein vernünftiges Konstrukt geschaffen, das klare Leitplanken setzt. Würden wir regieren, würden wir damit 4 Jahre lang gute Sachen machen. Wir haben einen Rahmen geschaffen, mit dem eben keine Steuersenkungen finanziert werden können. Wir haben Geld für Klimaschutz durchgesetzt und die wichtigen Bausteine der Gesamtverteidigung wie Cybersicherheit und Bevölkerungsschutz eingebaut. Wir können nicht damit verhindern, dass eine schwarz-rote Koalition damit auch schlechte Sachen macht - das ist in einer Demokratie die Verantwortung der jeweiligen Koalition. Dafür braucht es eine starke Opposition, die den Finger in die Wunde legt, die Regierung an ihre Aufgaben erinnert, die Notwendigkeiten einfordert.
Das wird in den nächsten vier Jahren unsere Aufgabe sein - packen wir‘s an.
In meiner persönlichen Erklärung rund um die Abstimmung des eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes habe ich meine Gedanken noch einmal zusammengefasst.