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Artikel

Delegationsreise nach Krakau / Auschwitz

Portrait of Swantje

Swantje Michaelsen

3 min Lesezeit

14. August 2024

Anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma am 2. August war ich auf Einladung des Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung in Krakau und Auschwitz auf Delegationsreise.

Ich war zum ersten Mal in Auschwitz. Es ist ein Ort des Grauens, von unfassbarem Leid, Kristallisationspunkt der Unmenschlichkeit.

Zum Stammlager Auschwitz I gehört das Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“, die Backsteingebäude, die Todeswand. Hier fanden die grauenvollen Menschenversuche statt, hier wurden Menschen gequält und ermordet. In den Gebäuden wird die Geschichte des Lagers gezeigt, es gibt Haufen mit Koffern, Schüsseln und Schuhen, Brillen und Haaren. Fotos zeugen von Furcht und Leid, von Sorge und Verzweiflung. In Block 13 dokumentiert eine Ausstellung den Völkermord an den Sinti und Roma, die Bilder und Geschichten gehen unter die Haut.

Schuhe

Ins 3 km entfernte Lager Auschwitz-Birkenau führt ein Gleis durchs Eingangstor, dahinter liegt die Rampe, an der die Selektionen stattfanden.

Tor Auschwitz

Ein großer Teil derjenigen , die hier ankamen wurde direkt in die Gaskammern geschickt und ermordet. In Birkenau sind nur Ruinen erhalten, umso deutlicher kann man das Geländer überblicken, nur fassen kann man kaum, was Menschen hier anderen Menschen angetan haben.

Krakau / Auschwitz

In einem Teil waren Sinti und Roma untergebracht, bis die letzten rund 4.300 am 2. August 1944 trotz erbitterten Widerstands ermordet wurden. Insgesamt wurden in Auschwitz rund 1,1 Mio Menschen ermordet, vor allem Jüdinnen und Juden, aber auch 23.000 Sinti und Roma. Das alles ist, selbst vor Ort, kaum zu fassen, nicht zu verstehen, schwer zu ertragen.

Opfer

Besonders eindrücklich waren die Gespräche mit Überlebenden und Nachfahren. Ich bin dankbar, dass viele von ihnen die Kraft finden, darüber zu sprechen. Überlebende haben ihre Erinnerungen an die Zeit in Auschwitz und anderen Lagern geteilt, manche zum ersten Mal. Nach dem Krieg Geborene haben berichtet, wie die Erlebnisse ihrer Eltern die eigene Kindheit überschattet haben, auch weil nicht darüber geredet wurde, aber Trauer oder Angst spürbar waren. In vielen Familien wird erst seit wenigen Jahren darüber gesprochen. Und auf einer internationalen Jugendbegegnung, an der ich als Gast teilnehmen durfte, hat eine junge deutsche Frau einen Holocaust-Überlebenden gefragt, wie er Frieden geschlossen hat damit, dass seine Heimatstadt Trier im Land der Täter liegt, weil sie selbst mit der Frage hadert, wo sie eigentlich zu Hause ist. Es ist erschütternd, wie die grauenvolle Erfahrung des Holocausts die Menschen über Generationen bis heute prägt.

Ausgrenzung und Diskriminierung waren auch nach 1945 und sind bis heute Teil der Lebenserfahrungen von Sinti*zze und Rom*nja. Es ist unsere Aufgabe und Verpflichtung, mit allen rechtsstaatlichen und gesellschaftspolitischen Mitteln dagegen vorzugehen. Um das Thema auf Bundesebene besser bearbeiten zu können, hat die Ampel einen Antiziganismusbeauftragten eingesetzt.

Im letzten Jahr hat der Deutsche Bundestag einen von allen demokratischen Fraktionen getragenen Beschluss verabschiedet, der umfangreiche Forderungen enthält: von der Aufarbeitung über den Ausbau von Bildungs- und Forschungsprogrammen oder den Einsatz auf europäischer Ebene bis zum Kampf gegen Diskriminierung in Verwaltungen oder Sicherheitsbehörden. Es ist unsere Aufgabe, diesen Beschluss mit Leben zu füllen.