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Artikel

Neues Straßenverkehrsrecht: Sichere Mobilität von Kindern und Jugendlichen

Portrait of Swantje

Swantje Michaelsen

4 min Lesezeit

28. November 2024

Es ist für Kommunen nun endlich deutlich leichter, Schulwege und den Rad-, Bus- und Fußverkehr zu fördern sowie Straßen und Quartiere verkehrlich zu beruhigen. Auch bei der Anordnung von Tempo 30 gibt es neue Möglichkeiten.

Um auf die vielen Fragen aus Kommunen, von Grünen-Mitgliedern und interessierten Bürger*innen zur Straßenverkehrsrechtsreform zu reagieren, habe ich gemeinsam mit Kolleg*innen aus der Bundestagsfraktion eine Veranstaltungsreihe organisiert. Bei den jeweiligen Terminen haben und wollen wir jeweils unterschiedliche Aspekte der Reform beleuchten.

Im zweiten Teil der Reihe ging es um die neuen Möglichkeiten des Straßenverkehrsrechts für sichere Mobilität für Kinder und Jugendliche, die insbesondere zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs sind. Gemeinsam mit meinem Kollegen Johannes Wagner, Berichterstatter in der Bündnisgrünen Bundestagsfraktion für Kindergesundheit und mit dem Rechtsanwalt Dr. Olaf Dilling, Rechtsanwalt in der Kanzlei re|Rechtsanwälte, habe ich die neuen Spielräume für Kommunen erläutert. Mit fast 200 Teilnehmenden aus ganz Deutschland, aus kleinen und großen Kommunen, stieß die Veranstaltung wieder auf eine enorme Resonanz.

Kurze Zusammenfassung der Vorträge

Johannes Wagner brachte in seinem Kurzvortrag die gesundheitliche Bedeutung von Mobilität und Bewegung im Alltag ein. Sport und aktive Alltagsmobilität tragen zu einer besseren körperlichen und mentalen Gesundheit bei. Das gilt in besonderer Weise auch für Kinder und Jugendliche – ausreichend Bewegung in Kinderjahren wirkt präventiv auch auf die Gesundheit als Erwachsene und prägt Gewohnheiten für das ganze Leben. Und doch bewegen sich nach aktuellen Studien nur rund ein Viertel der Kinder ausreichend im Alltag. Empfohlen sind von Seiten der WHO täglich 60 Minuten Bewegung mit niedriger oder mittlerer Intensität. Das hängt in großem Maß auch mit der Abnahme aktiver Mobilität im Alltag zusammen und einer Abnahme von freiem Spiel im öffentlichen Raum um -25% allein in den vergangenen 20 Jahren!

Um dem entgegenzuwirken, hilft es, Schulwege aktiv zurückzulegen: ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Dafür braucht es aber eine sichere Infrastruktur und Umgebung, sichere Wege und Kreuzungen sowie geringe Geschwindigkeiten.

Dr. Olaf Dilling widmete in sich in seinem Vortrag den neuen Spielräumen des Straßenverkehrsrechts und den Möglichkeiten des Straßenrechts für eine sichere Infrastruktur für Kinder und Jugendliche. Er betonte zunächst, dass die Straßenverkehrsrechtsnovelle die Schulwegsicherheit deutlich verbessern könne und auch hier einen echten Paradigmenwechsel einleite. Zwar würde immer noch viel über Ausnahmen geregelt, aber die Spielräume von Kommunen und für präventive Maßnahmen vor Ort seien deutlich gewachsen.

Der „revolutionärste“ Teil der Reform sei die Möglichkeit der Anordnung von neuen Flächen für den Rad- und Fußverkehr über die neuen Ziele und ohne Nachweis einer (einfachen oder qualifizierten) Gefahrenlage, so Dr. Dilling. Damit können Kommunen jetzt erstmalig gestalterisch und präventiv den öffentlichen Raum neu verteilen. Auf Grundlage z.B. eines städteplanerischen Konzepts können Kommunen ab sofort Flächen für die aktive Mobilität zur Verfügung stellen, die laut Verordnung „angemessen“ sein sollen, die quantitativ (wie viel?) und qualitativ (barrierefrei, durchgehend, sicher, verkehrsberuhigt) eine echte Verbesserung mit sich bringen. Das ist gerade für die Sicherheit im öffentlichen Raum für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung.

Abseits von den neuen Zielen hat die StVO-Reform auch neue Ausnahmen von der Nachweispflicht einer qualifizierten Gefahrenlage hervorgebracht. Das betrifft mit Bedeutung für die aktive Mobilität etwa die erleichterte Anordnung von Fußgängerüberwegen sowie neue Ausnahmen für die streckenbezogene Anordnung von Tempo-30-Abschnitten auf Hauptverkehrsstraßen – u.a. an Spielplätzen, an hochfrequentierten Schulwegen und Fußgängerüberwegen. Zusammen mit der Ausweitung der Lückenschlüsse über 500m zwischen zwei getrennten Tempo-30-Abschnitten ergeben sich dadurch in Kommunen jetzt sehr viel mehr Möglichkeiten, auch längere Tempo-30-Strecken anzuordnen.

Schulstraßen sind für den Kfz-Durchgangsverkehr temporär (täglich zu Hol- und Bringzeiten) oder durchgehend gesperrte Bereiche im direkten Straßenumfeld vor Schulen, deren Fahrbahn für den nicht-motorisierten Verkehr freigegeben ist. Sie sind eine gute Maßnahme, selbständige Mobilität von Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen. Zur Anordnung von Schulstraßen enthält die jetzt abgeschlossene Straßenverkehrsrechtsreform noch keine expliziten Erleichterungen. Doch lassen sich auch hier die neuen Spielräume über die Anwendung der neuen Ziele des Straßenverkehrsgesetztes nennen, die die Anordnung von Fahrradstraßen oder von angemessenen Flächen für den Rad- und Fußverkehr erlauben. Unter diesen Anordnungstatbeständen lassen sich unter anderem Diagonalsperren oder auch weitere bauliche Maßnahmen wie vorgezogene Gehwegnasen begründen.

Außerhalb des Straßenverkehrsrechts ist für Schulstraßen auch die Anwendung des Straßenrechts der Bundesländer möglich und sogar rechtssicher umsetzbar. Das Straßenrecht ermöglicht die Ent- oder Umwidmung des Straßenraums für die verschiedenen Verkehrsarten und damit die Einrichtung einer Schulstraße (ähnlich Fußgängerzone), mit der Option der Freigabe für Lieferverkehre, Schulbusse, etc. Als Begründung reicht hier das öffentliche Wohl aus, allerdings ist das verwaltungsbezogene Verfahren über das Straßenrecht zeitlich deutlich aufwändiger als eine „einfache“ straßenverkehrsrechtliche Anordnung. Weitere Informationen gibt es im Gutachten von Dr. Dilling zur Anordnung von Schulstraßen über das Straßenrecht oder im Leitfaden des VCD.