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Artikel

Zum Sicherheitspaket

Portrait of Swantje

Swantje Michaelsen

3 min Lesezeit

18. Oktober 2024

Persönliche Erklärung
nach § 31 GO BT zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems
(Drucksache 20/12805 und Drucksache 20/13413)

Dieses Gesetz ist eine Katastrophe. Dieses Gesetz ist eine Katastrophe für die Menschen, die es betrifft und es ist eine Kapitulation vor einer öffentlichen Debatte nach dem schrecklichen Terroranschlag von Solingen, die nur noch einen irrationalen Überbietungswettbewerb mit Forderungen nach immer weiteren Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechtes darstellte.

Die parlamentarischen Verhandlungen haben durch die entschlossene Haltung der grünen Verhandler*innen den Gesetzesentwurf verbessert. Aber dass dieses Gesetz in dieser Form das Kabinett der Bundesregierung verlassen konnte, wird der Regierungsbeteiligung einer bündnisgrünen Partei, die den Anspruch an sich selbst hat, Menschenrechte konsequent zu schützen, nicht gerecht. Die Wut, Fassungslosigkeit und Enttäuschung vieler Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und darüber hinaus ist deshalb mehr als verständlich und lebt auch in mir.

Ein Teil der jetzt erfolgenden Abstimmung des Sicherheitspaketes betrifft Leistungsstreichungen für sogenannte „Dublin-Fälle“ – also Menschen, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist. Für diese Personen soll jetzt nach zwei Wochen der komplette Leistungswegfall gelten. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, dass sie Deutschland wieder verlassen und in das zuständige EU-Land zurückkehren. Das allein ist bereits perfide, denn in vielen europäischen Ländern ist der Schutz der Menschenwürde Geflüchteter nicht gewährleistet. Zugleich scheitern Überstellungen in andere EU-Länder in der überwiegenden Zahl der Fälle an der mangelnden Kooperation innerhalb Europas. Betroffene können dann faktisch nicht in das zuständige Land zurückreisen.

Auch mit der verhandelten Ergänzung, dass die Ausreise „rechtlich und tatsächlich“ möglich sein muss, bleibt ungewiss, ob Obdachlosigkeit und Verelendung wirklich verhindert werden können. Es bleibt ungewiss, was die Grundlage sein wird, auf der das Bundesamt für Migration und Flucht zur Feststellung kommt, dass die Ausreise möglich ist. Mit diesen Streichungen von Sozialleistungen sorgen wir dafür, dass Menschen Obdachlosigkeit droht. Das verletzt die Menschenwürde und hat mit Sicherheitspolitik absolut nichts zu tun.

Eine Zustimmung zu diesem Gesetz ist für mich aus fachlicher Sicht unmöglich. Die fachpolitische Einordnung der asylpolitischen Berichterstatterinnen der Grünen Bundestagsfraktion, der Kolleginnen Filiz Polat und Stephanie Aeffner, spricht für sich.

Auf der anderen Seite steht aber für mich die Überlegung, was ein Scheitern der Abstimmung aufgrund von Grünen Stimmen für Folgen haben würde. Sehr realistisch ist, dass damit die Regierungskoalition beendet wäre und damit eine unkalkulierbare politische Entwicklung ausgelöst würde.

Die Gefahr wäre groß, dass genau die Menschen, die wir vor diesem Gesetz gerne schützen würden, unmittelbar einer Asyl- und Migrationspolitik ausgesetzt wären, die noch viel stärker ihre grundlegenden Rechte in Frage stellen und konkret beschneiden würde. Entsprechende Anträge haben Union und auch einige Bundesländer bereits vorgelegt, bisher aber keine Mehrheit. Scheitert die Ampel an diesem Gesetz, könnte eine entsprechende Dynamik allerdings verstärkt werden. Hinzu kommt, dass ich es für absolut unverantwortlich halte, in der gesamtpolitischen Lage in Deutschland und der Welt eine instabile Regierungssituation herbeizuführen. Dieses Risiko kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht eingehen, nur deshalb stimme ich dem Gesetz zu.