„Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“
So steht es im Koalitionsvertrag – vereinbart zwischen den Parteien der Regierungskoalition. An der entsprechenden Umsetzung arbeitet Swantje Michaelsen, Mitglied im Verkehrsausschuss und zuständig für Verkehrssicherheit in der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Die Reform entspricht auch dem Wunsch zahlreicher Kommunen, die sich bei der Steuerung des Verkehrs vor Ort vom Bundesrecht ausgebremst sehen.
Ein modernes Straßenverkehrsgesetz ist die Basis für mehr Verkehrssicherheit und für lebenswerte Städte und Gemeinden. Es braucht:
Mehr Entscheidungsfreiheit für Städte und Gemeinden
Aktuell gibt das Bundesrecht starr vor, dass Straßen in erster Linie für den Autoverkehr angelegt sind. Die gezielte Förderung von Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV ist unzulässig. Das führt dazu, dass die Städte jeden Radweg, jede Fußgängerquerung und jede Busspur mühsam begründen und mitunter gegen obere Verkehrsbehörden erstreiten müssen. Viele Städte schrecken vor dem bürokratischen Aufwand und den damit verbundenen Kosten (Verkehrszählungen, Gutachten…) für einfache Verkehrsmaßnahmen zurück oder können dies einfach nicht leisten. Gerade kleinen Kommunen mit wenig Personal fehlen schlicht die Ressourcen.
Ziel der Reform: Subsidiarität stärken und Bürokratie abbauen. Gemeinden sollen den öffentlichen Raum so gestalten können, wie es vor Ort gewünscht ist und gebraucht wird. Es muss Aufgabe der kommunalen Ebene sein, kluge, pragmatische Lösungen für die jeweilige Situation und einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen zu finden.
Mehr Verkehrssicherheit
Zügiger Autoverkehr ist noch immer wichtiger als Gesundheit, Sicherheit oder Lebensqualität. Denn Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung lassen Änderungen im Verkehrsraum nur aus Gründen der Gefahrenabwehr zu, die in der Regel an überdurchschnittlich vielen Unfälle gemessen wird. Sprich: es braucht Tote oder Schwerverletzte, ehe sich etwas ändert.
Ziel der Reform: Präventionsprinzip ergänzen. Kommunen müssen erkannte Gefahrenstellen entschärfen können, ehe sich Unfälle ereignen. Mit der Reform des StVG werden Zebrastreifen, Ampeln, gute Radwegenetze, geringere Geschwindigkeiten leicht(er) umsetzbar. Damit Straßen und Wege unserer Städte und Gemeinden für alle Menschen sicher werden.
Mehr Mobilität
Das Straßenverkehrsgesetz ist ein Bundesgesetz, das im Kern noch aus der Kaiserzeit stammt. 1909 wurde das „Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ eingeführt, im Grunde ein Gesetz zur Förderung des Autoverkehrs. Dieses wurde 1952 unter dem neuen Namen Straßenverkehrsgesetz übernommen und gilt im Wesentlichen unverändert bis heute. Das Straßenverkehrsgesetz hat nach wie vor nur ein Ziel nämlich die Sicherheit und Flüssigkeit des Autoverkehrs. Dabei wollen immer mehr Menschen mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs sein. Es braucht einerseits: Kurze Wege, gute Nahmobilität, sichere Fuß- und Radwege, Ausbau des ÖPNV. Und andererseits: verträgliche Lösungen für den Auto- und Lieferverkehr.
Ziel der Reform: Sichere und komfortable Wege für alle Verkehrsteilnehmer*innen. Bei der Reform des Straßenverkehrsrechts geht es im Kern um ein neues rechtes Maß. Die in § 6 festgeschriebene „Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs“ im Straßenverkehrsgesetz muss für alle Verkehrsteilnehmer*innen gelten.
Mehr Innovation
Die StVO-Novelle von 2020 hat bisher nur herkömmliche Verkehrsversuche erleichtert: Diese müssen zwar nicht mehr mit einer besonderen örtlichen Gefahrenlage begründet werden. Allerdings darf nur erprobt werden, was jetzt schon als dauerhafte Regelung nach StVO erlaubt ist. Weil sich Mobilität und Verkehr beständig ändern, fehlen manchmal passende Maßnahmen.
Ziel der Reform: Innovative Lösungen fördern. Wir wollen im StVG eine Grundlage für eine echte Innovationsklausel schaffen. Es muss zukünftig möglich sein, mit Verkehrsversuchen Maßnahmen zu erproben, die das bestehende und oft überalterte Regelwerk noch nicht vorsieht.
Mehr planerische Freiräume
Es stimmt zwar, dass viele Kommunen jetzt schon mehr tun könnten in Sachen Verkehrswende. Beschränkungen für Parkflächen, Fahrradstraßen, oder bessere Radabstellanalgen sind heute bereits möglich. Dennoch: Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung machen es den Kommunen oft unnötig schwer. Hohe Nachweis- und Begründungspflichten und komplizierte rechtliche Voraussetzungen erschweren und verzögern allzu oft den Umbau von Straßen und Plätzen.
Ziel der Reform: städtebauliche Entwicklung ermöglichen. Im 21. Jahrhundert müssen wir Mobilität in unseren Städten klimafreundlicher und intelligenter gestalten können als in den Jahrzehnten der Massenmotorisierung. Dafür müssen wir den öffentlichen Raum anders gestalten. Dass das geht, machen Städte wie Wien, Kopenhagen, Barcelona und neuerdings Paris erfolgreich vor. Sie zeigen auch, dass Straßen und Plätze mit weniger Autos und mehr Grün viele Menschen begeistern.